Ü2 Freiwilligkeit

Gute Beratung erfordert grundsätzlich Freiwilligkeit der Inanspruchnahme.

Die Beratenden ...

Ü2 BER1

fördern die Bereitschaft und Fähigkeit der Ratsuchenden, sich offen und freiwillig auf das Beratungsangebot einzulassen, insbesondere in Fällen, in denen die Inanspruchnahme nicht auf eigenen Wunsch erfolgt.

Ü2 BER2

erläutern den Ratsuchenden, sofern die Beratung aufgrund gesetzlicher Regelungen erforderlich ist, mögliche (Rechts-)Folgen, die sich aus dem Beratungsergebnis oder aus einer Nichtteilnahme ergeben können.

Ü2 BER3

thematisieren ggf. ihre beratende und ihre administrative Rolle und machen notwendige Rollenwechsel transparent.

Was ist hier wichtig?

  • "Freiwilligkeit der Inanspruchnahme“ ist ein konstitutives Merkmal jeglicher Beratung, da Freiwilligkeit den größtmöglichen Erfolg der Beratung sowohl für die Ratsuchenden als auch für die Gemeinschaft verspricht. In Situationen, in denen die Freiwilligkeit nicht von vornherein gegeben ist (z.B. Eltern drängen ihr Kind zur Beratung oder ein Langzeitstudierender wird exmatrikuliert, wenn er nicht die Studienberatung aufsucht), ist es eine besonders herausfordernde Aufgabe für die Beratenden, im Gespräch eine solche „Freiwilligkeit“ herzustellen, d.h. dass der/die Ratsuchende sich auf das Beratungsangebot einlassen kann.

  • Freiwilligkeit impliziert außerdem Ergebnisoffenheit, d.h. die Beratung darf nicht auf ein vorgegebenes Ziel oder eine vom Beratenden präferierte Lösung hin ausgerichtet sein, sondern  die „Hoheit“ im Beratungsprozess liegt beim Ratsuchenden.

Wo können Besonderheiten auftreten?

Beratung im Sanktionskontext:

Auch hier soll der Berater/die Beraterin ein Beratungsangebot formulieren, über dessen Annahme der Ratsuchende selbst entscheiden kann. Der Sanktionskontext muss dabei transparent gemacht werden: Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sind relevant? Welche Rechte und welche Pflichten hat die/der Ratsuchende? Was sind mögliche Folgen einer Nicht-Inanspruchnahme?   Welchen persönlichen Nutzen kann sie/er möglicherweise trotz verpflichtender Teilnahme aus der Beratung ziehen?


Rollenwechsel des Beratenden:

Häufig sind Berater in Sanktionskontexten auch Entscheider oder Beurteiler, wenn sie neben ihrer beratenden Rolle auch gesetzlich verpflichtet sind, administrative Entscheidungen im Hinblick auf die Ratsuchenden zu treffen oder zu empfehlen, z.B. Leistungskürzungen, wenn ihnen zugewiesene Personen sich weigern, die Beratung zu nutzen oder bestimmte Auflagen zu erfüllen. Dies ist häufig im Rahmen der Sozialgesetze  der Fall.  Hier müssen Berater/innen ggf. ihre beratende und ihre administrative Rolle und notwendige Rollenwechsel transparent machen.


Weitere Besonderheiten können z.B. auftreten bei:

  • Pflichtberatung an Hochschulen bei fehlenden PrüfungsleistungenOrganisationsberatung (z.B. bei Umstrukturierungen)Kurswahlberatung mit Einstufungstest im Bereich Sprachen

  • Pflichtberatung zur Berufsorientierung an Schulen

  • Schulberatung von Jugendlichen und Eltern.

 

Wie kann die Erfüllung des Standards nachgewiesen werden?

  • Regelmäßige, anonyme Befragungen der Ratsuchenden: Bestand (ausreichender) Spielraum zur freiwilligen Nutzung der Beratung?

  • Auswertung von Beschwerden, Widerspruchsverfahren

  • Nachweis von Handlungs-Reflexion der Beratenden, z.B. durch kollegiale Beratungen, Hospitationen, Selbst-Evaluation oder Supervision

Die Führung der Beratungsorganisation ...

Ü2 ORG1

fördert die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Beratung, indem sie sicherstellt, dass Ratsuchende in verständlicher Weise über ihre Rechte und Pflichten und den persönlichen Nutzen einer Beratung aufgeklärt werden. Auf dieser Basis können Ratsuchende über ihre weitere Teilnahme am Beratungsprozess entscheiden.

Ü2 ORG2 

ermöglicht auch in Sanktionskontexten Freiräume für selbstbestimmtes beraterisches Handeln, das sich an den Bedürfnissen der Ratsuchenden orientiert.

Ü2 ORG3

ermöglicht in Sanktionskontexten auf Wunsch der Ratsuchenden auch die Inanspruchnahme eines ergänzenden, alternativen Beratungsangebots.

Was ist hier wichtig?

  • Verständliche und verbindliche Informationsmaterialien zu Rechten und Pflichten der Ratsuchenden sollten diesen – besonders im Fall von Sanktionskontexten – schon im Vorfeld der Beratung übermittelt werden.

  • Für Beraterinnen und Berater, die in Sanktionskontexten agieren, muss seitens der Organisation Klarheit darüber bestehen, wie sie ihrer Verantwortung gegenüber der Organisation oder der Versicherungsgemeinschaft (o.ä.) nachkommen und gleichzeitig die Freiwilligkeit der Beratung ermöglichen sollen.

  • Ggf. sollten auch Möglichkeiten geschaffen werden, dass die beratende und die administrative Rolle nicht von ein und derselben, sondern von verschiedenen Beratungspersonen wahrgenommen wird, oder dass Ratsuchenden die Möglichkeit eröffnet wird, für bestimmte Fragestellungen einen externen, neutralen Beratungsdienst in Anspruch zu nehmen.

Wo können Besonderheiten auftreten?

Hierzu müssen unterstützende Regelungen und Hilfen für Beratende erstellt werden, die auf die jeweilige Organisation und den jeweiligen Beratungskontext zugeschnitten sind.

 

Wir möchten Beratende aus den verschiedenen Beratungskontexten aufrufen, Beispiele für solche Regelungen oder unterstützende Hilfen aus ihrem Beratungsbereich uns über die  Kommentarfunktion (unten auf dieser Seite) oder per Mail an info@beratungsqualitaet.net zuzusenden!

Wie kann die Erfüllung des Standards nachgewiesen werden?

  • Interne Geschäftsanweisungen

  • Aufgabenbeschreibung, Schulungsunterlagen und Fortbildungsangebote für Beratende zu diesen Themen

  • Informationen für Ratsuchende

Die jeweils verantwortlichen politischen Akteure ...

Ü2 POL1

unterscheiden bei nicht freiwilligen, gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsaufträgen klar zwischen der Beschreibung der beratenden Rolle und anderen (administrativen oder sanktionierenden) Rollen und geben Beratenden und Beratungsorganisationen klare Hinweise zum Umgang mit solchen Rollenkonflikten.

Ü2 POL2 

stellen sicher, dass in Sanktionskontexten auch alternative Beratungsangebote ohne Sanktionsfolgen oder Interessenkonflikte verfügbar und zugänglich sind.

Was ist hier wichtig?

  • Politische Akteure sollten die Freiwilligkeit der Beratung als ein Grundprinzip anerkennen und dies auch  öffentlich vertreten.

  • Politische Akteure sollten Beratungsorganisationen aus ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich dazu ermuntern, entsprechende Regelungen und unterstützende Hilfen über den Umgang mit Sanktionskontexten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erstellen und sie darin zu schulen.

Wo kann das vorkommen?

  • SGB II und III

  • Hochschulberatung

  • Organisationsberatung (z.B. bei Umstrukturierungen)

  • Pflichtberatung zur Berufsorientierung an Schulen

Wie kann die Erfüllung des Standards nachgewiesen werden?

Für den jeweiligen Kontext handlungsleitende Dokumente (z.B. Gesetze, Verordnungen, Policy-Statements).